[Buchgedanken] Das Herz von Libertalia: Anna Kuschnarowa

"Ein fulminanter historischer Roman – von der Sehnsucht nach grenzenloser Freiheit. Wortgewaltig, lebendig, unwiderstehlich.

Irland, um 1700: Anne Bonny kommt als uneheliches Kind zur Welt und wird von ihrem Vater als Junge aufgezogen. Die Männerkleider verschaffen ihr Vorteile, aber Anne will sie selbst sein. Als junge Frau gilt sie als die »verlockendste und herausforderndste Schöne« von ganz Charles Towne. Doch »irgendeinen dieser gelackten Affen heiraten«? Nie im Leben! Zu groß ist Annes Hunger nach Freiheit, zu stark ihr Traum vom wilden Leben im sagenhaften Piratenreich »Libertalia«. Annes Herz entflammt für den Piratenkapitän James Bonny – sie brennt mit ihm durch und geht auf wüste Kaperfahrt durch die Karibik ..."

Deutsche Erstausgabe, 2015

Umfang: 461 Seiten

ISBN: 978-3-407-81187-5

Verlag: Beltz

 

Ich habe dieses Buch gesehen und es war Liebe auf den ersten Blick. Das Buch hat mich förmlich angeschrien: “Nimm mich mit!” und ich habe es mitgenommen. Außerdem geht es hier um eine Piratengeschichte, also warum nicht. Ich war neugierig und die ersten 100 Seiten haben mich doch ganz gut gefesselt.

 

Als ich angefangen habe, das Buch zu lesen, bin ich (keine Ahnung mehr wie) auf eine Rezension gestoßen, die das Buch runtergemacht hat, weil der Feminismus auf die Nerven ging. Zu dem Zeitpunkt habe ich gedacht: “Komisch, ist doch gar nicht so schlimm.” Die nächsten zwei, zweieinhalb Monate habe ich das Buch dann nicht mehr angerührt, weil es irgendwo auf Seite 120 die Spannung und dadurch mich verloren hat.

 

Vor ein paar Tagen habe ich es noch einmal versucht und nach ein paar Seiten gedacht: “Geht ja.” und gelesen. Die letzten 100 Seiten waren aber eine Qual und ich konnte fast nicht mehr aufhören den Kopf zu schütteln. Selten hat mich eine Protagonistin so genervt.

 

!Achtung könnte Spoiler enthalten!

 

Zunächst war sie die geliebte Tochter, obwohl als Junge aufgezogen, wollten ihre Eltern sie in der Pubertät wieder umkrempeln und verheiraten. Sie stellt sich quer, soweit noch nachvollziehbar. Sie kritisiert aber nicht nur die Bekehrungsversuche ihrer Eltern, sondern auch den Umgang mit Sklaven. Gut, komm ich auch noch mit klar. Aber als sie dann zu einer wunderschönen jungen Frau heranreift, der die Männer reihenweise hinterstarren “und ich war mir sicher, dass er mir nachsah”, wird es skurril. Sie scheint keine Schwächen zu haben, sieht gut aus, kann kämpfen, verdreht den Männern reihenweise den Kopf, beherrscht einige medizinische Grundlagen, freundet sich mit jedem an, hat das Zeug zum Piratencapitain, … und kann sich selbst irgendwie immer aus einer misslichen Lage befreien oder wird befreit. Sie beschwert sich, wenn man(n) nicht nur ihr allein verfallen ist, vergnügt sich aber gern noch anderweitig. Genug zur Protagonistin, ich möchte euch ja nicht die ganze Spannung nehmen ;)

Die Handlung … Tja, vielleicht ganz nett, aber es gibt keinen Antagonisten – zumindest keinen, der unserer Protagonistin gefährlich werden könnte. Sie kann gut fechten und beherrscht auch Schusswaffen, mit denen sie im Duell immer als Siegerin hervorgeht. Und nein, sie ist so gnädig, wie kein Zweiter: Will im Duell keinen töten, beim Überfall kein Blut vergießen, wenn es dann doch passiert, hat sie es nicht gewollt. Und am Ende, als sie ihre Liebhaber verliert, bemitleidet sie sich selbst. Buhu! (Entschuldigt, wir sind schon wieder bei der Protagonistin!) Im Grunde plätschert die Handlung nur so dahin und wir wissen, auch die verzwickteste Lage ist nicht verzwickt genug, um der lieben Anne … ja was, gefährlich zu werden, sie schwer zu verletzen, den Leser gebannt innehalten zu lassen?

 

Dazu kommt, dass die Handlung für mich im letzten Drittel so vorausschaubar war. Ich habe gedacht, das kanns doch jetzt nicht sein, lass es bitte nicht passieren, das wäre zu viel des Guten (?). Aber nein, sie muss sich ja zufällig in jemanden verlieben, der sich dann auch als Mann verkleidet und ebenso wie sie eigentlich eine Frau ist. Natürlich kann auch diese Liebe nicht lange halten, denn diese andere Frau, fühlt sich zu einem Leben hingezogen, dass der guten Anne nicht passt und sie lässt sie (oh wie gnädig) mit ihrer neuen Liebschaft ziehen. (Daraufhin bemitleidet sie sich übrigens selbst)

 

Mir ist schon klar, dass Anne überleben muss, hat sie doch ein historisches Vorbild, das irgendwann spurlos verschwunden ist. Aber so? Ich finde es auch gut, wenn jemand mit seiner Geschichte die Augen öffnen will über Zustände, die echt nicht in Ordnung sind. Aber so viel? So belehrend? Das mag niemand! Ich hatte den Eindruck, dass Anne eher weniger ihrer Zeit gemäß, als eher unserer Zeit gemäß denkt. Das hat irgendwie nicht gepasst.

 

Die Bücher von Sarah Lark, die ich gelesen habe, behandeln auch die Sklaverei, gehen kritisch mit ihr um und prangern sie an, aber das passiert auf eine sanftere Art und eher nebenbei und nicht so, als würde man einen Brocken hingeworfen bekommen á la “Friss oder stirb”.

 

Ach, noch eine kurze Zwischenbemerkung, bevor es wieder positiver wird. Die Protagonistin ist perfekt und hat kaum Fehler, die ihr irgendwie im Weg stehen – und sie heißt Anne. Die Autorin Anna. Hm … Hätte ich nicht vor kurzem einen Artikel über Mary Sue gelesen, dann hätte ich jetzt wohl keinen passenden Ausdruck dafür gefunden. Und mir scheint er in Anbetracht dieser Tatsachen wirklich sehr passend.

 

Was allerdings wieder positiv anzumerken ist, ist der Schreibstil. Das Buch liest sich flüssig und wirklich schnell. 100 Seiten am Tag sind keine große Kunst, obwohl ich wirklich nicht schnell lese. Allerdings gab es eine Stelle, an der ich mich doch sehr veräppelt gefühlt habe, weil Annes Gedanken sich schon zu arg auf wenigen Seiten wiederholt haben.

 

Fazit: ❤/❤❤❤❤❤ 

Ich habe lange darüber nachgedacht, wie viele Herzchen ich diesem Buch geben möchte. Zwei erscheinen mir zu viel, eins etwas zu wenig, obwohl ich durch die letzten Seiten gehetzt bin und froh war, dass ich das Buch beendet hatte. Bleibe ich bei 1,5 Herzchen, möchte aber oben nicht aufrunden. Das Cover und die Idee sind auf jeden Fall ein Pluspunkt, wobei für mich leider die Protagonistin am meisten schwächelt, obwohl sie doch neben der Handlung erst einmal das wichtigste ist. Die Handlung ist irgendwie … ja, plätschernd, was vielleicht auch zum Thema passen mag, wir befinden uns den größten Teil auf offener See und den anderen auf Inseln.

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