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Tagebucheintrag N°102 | Ebooks zu Schleuderpreisen

Ein Thema wühlt in den letzten Tagen die Autorenszene auf. Im Vertrauen weitergereichte eBooks als Leseexemplar vor allem von Selfpublishern werden in geheimen Facebook-Gruppen kostenlos weitergegeben und damit kopiert. Eine illegale Handlung. Eine Straftat.

 

Aber warum gibt es Leute, die das Vertrauen von Autoren missbrauchen? Wir reden hier von Freunden und Bekannten. Sind wir schon zu sehr von Gratisaktionen verwöhnt oder einfach nur geizig. Wollen alles für uns rausholen und übersehen, dass in einem Roman stundenlange Arbeit steckt.

 

Es ist ja nichts Neues, dass im Internet Raubkopien gehandelt werden. Das, was jetzt passiert ist, ist natürlich einen Zacken schärfer und auch deswegen melde ich mich zu Wort. Natürlich betrifft es mich noch nicht als Autor, dennoch vertraue ich auch euch als meinen Lesern und speziell auch den Leuten aus meiner Mailing-Liste. So möchte ich euch an meiner Arbeit teilhaben lassen. Ich habe kurze Geschichten an Leute verschickt, die ich nicht persönlich kenne, und ich habe auch vor ihnen Auszüge aus meinen Romanen zum Lesen zu geben. Dabei hoffe ich auf konstruktive Kritik. Dennoch ist es offenbar ein Wagnis und mir missfällt es, Menschen nicht vertrauen zu können!

 

Andererseits – auch wenn diese Aktion nicht ok ist – frage ich mich, ob diese Leute das eBook trotzdem gekauft hätten, wenn sie nicht die Möglichkeit gehabt hätten, es kostenlos/ illegal irgendwo herzubekommen. Vielleicht eher weniger. Könnte das nicht eine Chance für Selfpulisher sein – wenn auch eine sehr Skurrile, wie ich zugeben muss – neue Leser zu gewinnen? Denn immerhin landet das eBook ja bei ihnen und das vergrößert die Möglichkeit, dass es gelesen wird. Hm, nein. Wohl auch nicht, denn wahrscheinlich landet das eBook gemeinsam mit vielen anderen auf dem Reader und durch einen SuB von schon 50 eBooks und mehr möchte sich doch niemand mehr wühlen. Oder?

 

Nun, ich habe sicher an die 50 Leseproben auf meinem Kindle und es ist für mich traurig, aber auch eine Überwindung, sie mir alle genauer anzuschauen. Es ist einfach eine unglaubliche Menge. Wie man sieht, auch die Versuchung bei kostenlosen Leseproben ist groß. Werden sie alle gelesen? Sicherlich nicht. Vielleicht hätte ich mich in meinem Eifer nicht von einem eBook zum nächsten hangeln, sondern mit Bedacht die einzelnen Leseproben durchsehen sollen. Aber gut, die meisten Bücher werde ich früher oder später in einem Laden sehen und mir schnappen :D Denn, mindestens zwei Drittel der Leseproben sind von solchen Büchern, die schon länger mit mir flirten.

 

Aber das sind Bücher von bekannteren Autoren oder Bücher, die es im Buchladen gibt. Die mir also dort in die Hände fallen könnten. Doch der kleinere Teil der Leseproben verschwindet in dem Wust auf meinem Kindle. Und so ist es wahrscheinlich auch bei einem Reader voller gratis eBooks. Und auch 99 Cent Lockangebote machen das doch nicht besser, oder?

 

Ich bin da vielleicht noch die Ausnahme, da ich eBooks gegenüber sehr skeptisch bin. Ich vertraue der Technik nicht und habe lieber ein richtiges Buch in der Hand. Aber das steht hier ja nicht zur Diskussion ;) Man stelle sich also vor: Zu der Unmenge an gratis eBooks gesellen sich noch einige günstige eBooks. Und ja: eBooks für bis zu sechs Euro sind wirklich günstig. Meist findet man solche Angebote bei echten Büchern doch nur auf Mängelexemplar-Wühltischen oder bei gelesenen Büchern. Zumindest ist für mich die Wahrscheinlichkeit dort neue Autoren für mich zu entdecken größer, weil mein physischer SuB ja immer irgendwie vor meiner Nase ist und ich mir außerdem genau überlege, ob ich dieses Buch kaufen möchte, denn da kommt ja noch das Platzproblem hinzu.

 

Doch zurück zu den eBooks. Autoren haben nichts von der illegalen Verbreitung ihrer Bücher und auch die Verbreiter haben davon nichts, denn glücklicherweise nehmen sie dafür nicht noch Geld. Aber auf der anderen Seite sehe ich auch Gratis- oder Kostenlos-Aktionen von Autoren kritisch. Sicherlich finden sich dadurch Leute, die ihr eBook kaufen oder eben gratis herunterladen. Doch so werten Autoren ihre Arbeit im Konkurenzkampf selbst herab. Sie müssen ihre eBooks verschleudern, weil ab einem bestimmten Betrag verkaufen sie sich offenbar nicht mehr. Und auch das kann ich als Leser verstehen. Klar kann man sich Leseproben herunterladen, aber wie gesagt, wer liest die schon, wenn er eine Fülle davon hat. Lieber wird gleich das eBook heruntergeladen/ gekauft. Dann ist es da und wird eher gelesen.

 

Dann kommen aber auch die Autoren ins Spiel. Eine Diskussion, die sich gut mit der eBook-Verschleuderung kombinieren lassen kann: Die Qualität der eBooks. Sicher gibt es viele Autoren, die professionell Arbeiten und die versuchen ihr eBook möglichst hochwertig an den Mann zu bringen. Sie bezahlen einen Designer für das Cover oder basteln sich selbst eines mit verschiedenen Programmen, die wahrscheinlich teilweise auch etwas kosten. Auch an ein Lektorat und Korrektorat denken viele – entweder haben sie gute Kontakte oder lassen sich auch das etwas kosten. Und am Ende kommt ein (wahrscheinlich) gutes oder hochwertiges eBook dabei heraus. Das Problem: es muss sich mit der Unmenge der unprofessionellen Schnäppchen und gratis eBooks messen. Preistechnisch stellen sich diese professionellen Autoren mit Hobbyautoren (ich meine hier jene, die das Schreiben nicht so ernst nehmen, einfach nur aus Spaß für ihre Familie oder Freunde schreiben und nur mal gucken wollen, wie viele Leute ihr Buch lesen wollen) auf eine Stufe, denn für mehr Geld verkauft sich ihr Buch leider Gottes nicht.

 

Aus diesem Grund bin ich bei vielen günstigen/ gratis-eBooks sehr skeptisch. Es steht ja nicht drauf, wie viel Mühe, Geld und Arbeit in dem Werk steckt. Und ich finde es traurig, dass professionelle Selfpublischer mit Hobbyautoren, die ihr Buch einfach nur online stellen und es vielleicht etwas aufwerten wollen für 99 Cent verkaufen, konkurrieren müssen.

 

Um auf die Qualitätsdiskussion noch etwas spezifischer beim Namen zu nennen: Es gibt Autoren, die auf Rechtschreibung und Grammatik pfeifen und das bei genauer Nachfrage als “eigenen Stil” verkaufen wollen. Sag mal, geht’s noch? Und gerade dann, wenn dieses eBook auch nur gratis angeboten wird, steht es doch zu keinem Verhältnis zu einem eBook, das in einer Aktion vom Autoren gratis angeboten wird und sonst nur 99 Cent bis drei Euro kostet.

 

Wäre es nicht fair, wenn beim eBook-Kauf eine Kennzeichnung darauf aufmerksam machen würde, wie viel Qualität in dem eBook steckt? Woher soll ein Käufer, der den Autoren nicht kennt, das wissen? Und so könnten auch ernsthafte Selfpublisher, die zu einem großen Teil irgendwann von ihrer Arbeit leben wollen, den Preis rechtfertigen. So hätte ich als Leser die Sicherheit, dass ich nicht nur etwas kaufe, wovon nicht einmal der Autor überzeugt ist. Und dafür gebe ich auch gern mehr Geld aus.

 

Morgen findet ein Flashmob statt, bei dem Leser aufgefordert werden, mindestens zwei eBooks zu kaufen. Eine gute Aktion, die sich auch einer großen Beliebtheit erfreut. Aber ich finde auch sie äußerst kritisch. Zunächst möchte ich nicht gezwungen werden, an einem bestimmten Tag ein eBook zu kaufen. (Sicherlich lachen sich die illegalen Verbreiter dabei ins Fäustchen.) Und dann nehmen an diesem Flashmob zu einer großen Wahrscheinlichkeit nur diejenigen teil, die auch sonst gern Geld für eBooks ausgeben.

 

Ich behaupte einfach mal ganz dreist, dass hier wieder nur ein Symptom bekämpft werden soll, nicht aber die Ursache für ein Problem: Nämlich, dass Leute nicht bereit sind für Qualität zu zahlen. Ich bin eher der Meinung, dass man Leute aufklären und auf diese Ungerechtigkeiten hinweisen sollte. Obwohl es dann auch noch viele Leute gibt, die diese Kritik mit einem Kopfschütteln ignorieren. Und die wird es immer geben, ob sich nun ein paar Leute an einem bestimmten Tag ein eBook kaufen oder nicht.

By the way: Das kennt man ja auch aus anderen Bereichen – Was der Mensch nicht wissen will, überhört er einfach oder schließt die Augen vor der Wahrheit. Ob es nun um den Fleischkonsum und die Qual der Tiere, die Nahrungsmittelindustrie oder den Umgang mit der Umwelt geht. 

 

Tangiert mich ein Problem nur peripher, ist es für mich nicht existent.

 

Der Mensch ist das einzige Tier, das die Fähigkeit des Ignorierens perfektioniert hat. Eigentlich wollte ich mit diesem Thema noch etwas warten bis ich meine Buchgedanken zu “Der Circle” veröffentlicht habe, doch aus aktuellem Anlass habe ich einfach mal vorausgegriffen. aber keine Angst, der geplante Beitrag wird auf jeden Fall noch erscheinen ;)

 

Was sagt ihr zu der Diskussion? Seid ihr als Autoren möglicherweise selbst betroffen? Wie geht ihr damit um?

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