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Tagebucheintrag N°136 | Was ist Literatur und warum schauen Kritiker auf Trivialliteratur herab?

Es gibt Tage, an denen kann ich meine Finger einfach nicht still halten. Ich bin bin seit langem schon ziemlich medienabstinent. Wenn ich etwas von der großen weiten Welt mitkriege, dann muss es mich schon stark interessieren, wenn es durch jegliche Facebookfilter zu mir gelangen kann. Doch auch dann dauert es noch, bis ich mich bei einem Thema zu Wort melde. Tue ich es, dann könnt ihr sicher sein, dass es mir sehr am Herzen liegt.

 

 

Die liebe Kim hat dazu auf ihrem Blog ihre Meinung kundgetan. Ich denke, jeder, der Bücher liebt, darf zu diesem Thema klar seine Meinung ausformulieren. Das mache ich an dieser Stelle.

 

Jedoch muss ich weiter ausholen, denn dieses Thema kratzt stark an meinen Prinzipien und Vorstellungen.

 

Zunächst sollte jeder das lesen dürfen, was ihm gefällt. Egal welches Genre, egal von welchem Autor, egal welches Thema. Und anschließend darf jeder seine Gedanken zu diesem Buch kundtun, es weiterempfehlen oder nicht. Was andere daraus machen, ist dann ihre Sache. Ob man sich nach Empfehlungen richtet oder sie umgeht, wie ich es zu machen versuche, ist dann jedem selbst überlassen.

 

Ganz unabhängig von der Art der Literatur: Wer entscheidet, was ein gutes und was ein schlechtes Buch ist? Immer nur der Leser selbst für sich. Ein Buch, das anderen gefällt, muss mir noch lange nicht gefallen. Jeder hat sein eigenes Empfinden dazu. Was mir im Laufe der letzten Jahre aufgefallen ist: Wenn ich ein Buch lesen möchte, gefällt es mir meist besser, als wenn ich "gezwungen" werde, ein Buch zu lesen, sei es durch die Schule, Uni, Fristen von Rezensionsplattformen oder andere äußere Faktoren. Auch der Zeitpunkt spielt eine entscheidende Rolle.

 

Das Problem daran ist, dass man meist gezwungen wird, die richtig gute Literatur zu lesen und in seiner Freizeit dann lieber weniger anstrengende Bücher liest, wenn man es nicht ganz bleiben lässt.

 

Es ist eigentlich wie mit dem gesunden Essen. Wir lernen als Kinder, dass Schokolade, die süß ist und uns schmeckt, nicht gesund ist. Im Gegensatz dazu, das Gemüse, dass fad und total unspannend aussehen kann, ist super gesund. Kinder sind ja nicht blöd: Sie merken also, was nicht so toll schmeckt, ist gesund.

 

Genau das gleiche ist es mit der besseren Literatur. Sie ist oft schwer verdaulich, nicht immer leicht zu lesen und macht am Anfang vielleicht keinen Spaß. Im dümmsten Fall haben wir negative Erfahrungen damit gesammelt, weil uns gesagt wurde, das ist gut, das musst du lesen. Es gibt auch Listen, die einen förmlich erschlagen, mit "Büchern, die man gelesen haben sollte". Kommt schon, jeder kennt solche Listen!

 

Sollte dann nicht eher ein anderer Umgang mit Literatur eingeübt werden, als auf der "einfachen" Literatur rumzuhacken? Jedes Mal, wenn mir zu Ohren oder vor Augen kommt "sowas wie Shades of Grey" (was Twilight offenbar abgelöst hat), dann muss ich mich wirklich zusammenreißen, um nichts dazu zu sagen. Meistens übergehe ich solche Kommentare.

 

Es gibt Bücher, die sind erfolgreich. Und dazu gehören Harry Potter, Shades of Grey oder Twilight, das kann wohl keiner abstreiten. Doch ich finde es traurig, wenn man sich mit diesen Büchern verstecken muss (Harry Potter nicht, das wurde ja in letzter Zeit wieder ziemlich gehypt). Mir muss doch nicht gefallen, was andere lesen, dafür lese ich auch, was ich möchte. Und ich habe doch kein Recht, den Menschen zu beurteilen, nur weil er keine Reihe von Klassikern im Regal stehen hat oder liest.

Wie beim Gemüse muss es vielleicht erst einmal klick machen, um sich an solch hochgelobte Literatur zu wagen. Da liegt vielleicht auch der Hase im Pfeffer begraben: Gerade weil diese hochgelobte Literatur so gelobt wird und den Anschein erweckt, sie kann nur von gebildeten Menschen verstanden werden, ist überhaupt eine Distanz da.

 

Eine viel größere Frage stellt sich doch: Warum muss ein Hobby, was lesen zweifellos ist, überhaupt gewertet werden?  Warum werden künstlich Klassen erschaffen und Menschen ausgeschlossen, nur weil sie nicht das "richtige" lesen? Reicht es nicht, dass Golfspielen mit Ärzten assoziiert wird und Minigolf für den kleinen Mann da ist?

 

Ich bin wirklich glücklich darüber, dass es in unserer Zeit jedem möglich ist zu lesen. Kostenlose Bücherschränke, Klassiker teilweise kostenlos in großen Onlinearchiven, Ebooks günstiger als ein Kaffee bei Starbucks, gebrauchte Bücher oder Mängelexemplare zuhauf in Bücherläden, ...

 

Ich ahne, dass die Diskussionen, die die Buchwelt heimsucht, in anderen Bereichen nicht unbekannt ist. Golf und Minigolf habe ich schon erwähnt, auch im Reitsport bist du nur jemand, wenn du Tuniere bestreitest und gut abschneidest, ... Ein Hobby wird wohl schon lange nicht mehr als Hobby gesehen, wenn es nur Spaß macht. Wir müssen etwas leisten, um uns in dieser Gesellschaft zu profilieren. Und das nicht nur im Bereich Hobby ... (wahrscheinlich ist Fußballspielen die einzige akzeptierte Ausnahme)

 

Vor ein paar Wochen in der Uni ging es auch um die große Literatur. Wer entscheidet, was große Literatur ist? Nur eine kleine Gruppe von Menschen. Und ist es nicht krank, dass sich alle danach richten, was dieser Bruchteil als "richtige" Literatur bezeichnet? Sie ist per se nicht besser oder schlechter. Sicherlich gibt es auch viele Werke, die nicht als "gute" Literatur bezeichnet werden, einfach weil man nicht alle Bücher erfassen kann. Ich denke da zum Beispiel an Marie Graßhoff mit ihrem Kernstaub. Sie sagt selbst, dass es nicht leicht zu lesen ist, sie hat aber auch viele Fans - wenn man davon ausgeht, dass schwere Lesbarkeit ein Kriterium für gute Literatur ist.

 

Ihr seht, eigentlich dreht sich alles nur darum, was bestimmte Menschen als außergewöhnlich bezeichnen oder eben abwerten. Im Grunde genommen ist es doch auch nur eine Empfehlung von Menschen, die sich mit Büchern beschäftigen.

 

Und da sind wir auch schon beim nächsten Punkt: Die Kritik an Buchbloggern. Ob nun auf Youtube oder in Webblogs schaffen es diese Menschen, andere Menschen für Bücher zu begeistern. Sie geben (hoffentlich in den meisten Fällen) ihre eigenen Meinung wieder, kritisieren (im eigentlichen Wortsinne, der nicht negativ gemeint ist) Bücher und empfehlen weiter oder auch nicht.

 

Wieder wird sich an Begrifflichkeiten aufgerieben. Buchkritiken sind anspruchsvoll, sie sollen ausführlich sein und dem Leser ein möglichst gutes Bild über ein bestimmtes Buch geben. Am Ende soll der Leser entscheiden können, ob er ein Buch kaufen möchte oder nicht.

 

Ich konnte mich auf meinem Blog nicht mit dem Wort "Kritik" oder "Rezension" anfreunden, deswegen schreibe ich "Buchgedanken". Vielleicht wirken diese manchmal wirr, sie fallen kurz aus, können aber auch ausufernd lang werden, aber es sind eben meine Gedanken zu einem Buch und in manchen Fällen noch die Gedanken, die dieses Buch bei mir ausgelöst hat. Das ist mein persönlicher Rezensionsstil, wenn man ihn denn so nennen möchte.

 

Ich habe natürlich viel über das Rezensionsformat nachgedacht, aber was bringt es mir (und euch), wenn ich vorgefertigte Punkte habe wie Charakter, Handlung, ... und ich dazu aber nichts sagen kann, weil dieses Buch mich auf einer ganz anderen Ebene berührt hat oder ich ganz andere Punkte als diese ansprechen möchte? Und nur weil jemand dieses Format bei sich Rezension nennt, aber nicht diese Unterpunkte berücksichtigt, weil er auch einen anderen Stil hat, heißt das doch nicht, dass die Rezension nichts wert ist.

 

Viele Literaturkritiker haben wahrscheinlich Literaturwissenschaften studiert. Sie sehen Bücher mit anderen Augen, ich sehe sie mit den Augen eines Autors und ihr seht sie wahrscheinlich mit den Augen eines Lesers. Jeder hat seine eigene Meinung, aber diese ist subjektiv und keine ist besser als die andere. Hier kommt es auch wieder stark auf das Publikum an. Wer einen Buchblog liest, der möchte höchstwahrscheinlich eine persönliche Meinung lesen, weil er einen ähnlichen Buchgeschmack wie der Blogger hat und entscheidet danach, ob er ein Buch kaufen möchte oder nicht. Das ist doch völlig in Ordnung.

 

Doch zu sagen, wer Shades of Grey liest und gut bewertet, weil es ihm persönlich gefallen hat, aus Gründen, die er nennt oder nicht, habe keinen Geschmack, das ist für mich geschmacklos. Und es müssen einige Menschen gewesen sein, die Shades of Grey gelesen haben, sonst hätte es sich nicht so gut verkauft. Klar liegt das auch an der Vermarktung, doch warum macht man das nicht bei Büchern, die zu dieser besseren Literatur gehören? Wahrscheinlich weil es sich nicht lohnt ... und wenn es dann doch von der breiten Masse gekauft und gelesen würde (weil es vielleicht nicht den Stempel "Literatur" trägt), wäre es doch schon wieder Trivialliteratur. Oder nicht?

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