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Tagebucheintrag N°138 | Sag mal, wie heißt du eigentlich?

In letzter Zeit drehen sich meine Gedanken vermehrt um ein Thema: Namen. Ich glaube, alles hat angefangen, als immer häufiger Menschen aus meiner Freundesliste auf Facebook verschwanden - ohne ein Wort des Abschieds. Erst später habe ich herausgefunden, dass Facebook sich nun darum kümmert, dass alle Nutzer ihren richtigen, echten, wirklichen Namen im Netzwerk benutzen.

 

Wie viele von euch wissen, bin ich im Internet unter einem Pseudonym unterwegs, mit dem ich mich sehr wohl fühle. Es ist praktisch zu meinem Ich geworden und ich reagiere auf Tinka genauso wie auf meinen bürgerlichen Rufnamen. Doch was ist, wenn ich jetzt von Facebook aufgefordert werde, ihn in meinen richtigen Namen zu ändern? Irgendwie ist Tinka doch mein richtiger Name und viele Menschen kennen mich nur so. Das ist für sie und für mich völlig okay. Es gibt viele Menschen (vor allem auf Facebook) mit denen ich befreundet bin, die nicht ihren richtigen Namen nutzen und deren richtigen Namen ich nicht mal kenne. Vielleicht den Vornamen, aber mit dem Nachnamen wird es schon schwierig.

 

In dem Zusammenhang denke ich auch an viele Autorenkollegen. Ich habe eine Seite zu meinem Blog und für meinen Autorenkram - auch unter Pseudonym. Aber die meisten schreiben, sicherlich ohne dass es mit bewusst ist, unter Pseudonym und haben einen normalen Facebook-Account. Was ist mit ihnen? Wer unter Pseudonym schreibt (oder sich als Künstler nicht mit seinem richtigen Namen benennt), wird einen guten Grund dafür haben. Was ist nun, wenn diese Menschen dazu aufgefordert werden, ihren Namen in ihren richtigen zu ändern oder der Account bleibt gesperrt. Viele haben sicherlich nicht vor, ihr Pseudonym auf ihrem Ausweis eintragen zu lassen - so wie ich. Was ist mit ihren Fans und Freunden wenn sie ihn ändern? Was ist mit ihrem Job? Bei denen, die in "heikleren" Genres schreiben eine sehr wichtige Frage. Sicherlich gibt es noch andere Soziale Netzwerke, die nicht so einen Sch*** verzapfen, aber Facebook ist wohl immer noch die Werbeplattform für Autoren. Gut, diese Autoren/Künstler können sich eine Fanpage auf Facebook einrichten, aber das Wahre ist das ja auch nicht. Es ist verdammt anstrengend, für die Leser sichtbar zu bleiben. Wirklich, verdammt, verdammt anstrengend ...

 

Seit gestern Abend zähle ich jemanden Neues zu meinem Bekanntenkreis. Wir haben uns sehr gut unterhalten und ich habe auch viel von ihm erfahren. Er ist wirklich ein interessanter Mensch - und das liegt sicherlich auch daran, dass uns mehrere Interessen verbinden.

 

Auf dem Heimweg fragte ich dann meinen Freund, weißt du eigentlich, wie er heißt? Er verneinte. Vielleicht wurde er uns sogar namentlich vorgestellt, wenn ja, haben wir es vergessen, weil es so viele andere Eindrücke an diesem Abend gab. Oder woran auch immer das lag.

 

Aber diesen Menschen habe ich immer noch im Kopf. Ich weiß, wie er aussieht, was er beruflich macht, wofür er sich interessiert und wie seine Haltung zu bestimmten Themen ist. Was macht es denn da, wenn ich nicht weiß, wie er heißt? Ein Name macht doch keine Persönlichkeit aus.

 

Oder doch? Wenn ich einen Namen höre, dann habe ich eine bestimmte Person im Kopf. Ob es nun Kevin, Katharina oder Michael ist. Ich habe direkt ein Bild vom Aussehen und einer Persönlichkeit im Kopf. Schade eigentlich, denn wenn ich zum Beispiel den Kevin nicht leiden konnte, jetzt aber einen anderen Kevin kennenlerne, dann hat er wahrscheinlich kaum eine Chance, dass ich ihn neutral und ohne Vorurteile kennenlerne - auch wenn ich das vielleicht möchte.

 

Für Autoren kann das gefährlich sein oder auch gut. Vielleicht versuchen Autoren deswegen Namen zu wählen, die ungewöhnlicher sind. Oder sie nennen ihren Protagonisten so, wie eine Person, die sie kennen, die diesem Charakter ähnlich ist oder welche sie als Vorbild sehen. Hier wird sicher ganz stark mit Klischees gespielt.

 

Das macht es umso schwerer für den Autoren, denn wie soll er einen Charakter positiv darstellen, wenn der Leser aufgrund seines Namens ein negatives Bild im Kopf hat.

Wozu sind Namen eigentlich gut? Ich denke, sie sind "einfach" nur dazu da, um prägnant und ohne großartige Beschreibung auszudrücken, was man meint. Dasselbe kennt man ja auch von Substantiven. Man schreibt einfach Tisch, wenn man Tisch meint und fertig. Bei Personennamen ist es nicht so einfach: Es gibt wohl nicht so viele verschiedene Arten von Tischen wie es verschiedene Menschen gibt, die Thomas heißen. Wenn ich ganz kurz nachdenke, dann fallen mir spontan fünf Thomasse ein, die ich kenne, aber alle sind total verschieden.

 

Und wenn wir mal ehrlich sind, für zwischenmenschliche Beziehungen sind Namen völlig irrelevant. Im Grunde genommen dienen sie den Behörden zur Identifizierung. Und die Zeiten, in denen am Namen der Beruf oder den Stand ablesen werden konnte, sind glücklicherweise vorbei.

 

Überhaupt stellt sich die Frage, warum veranstaltet Facebook so ein Chaos? Wird die ganze soziale Netzwerksache so enden wie im Buch "The Circle" oder Facebook nur immer mehr Nutzer verlieren?

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